23
Mai
2010
Pyramidenzelt (gebraucht)
Seit 1984 nur im Regal gelegen
Ob nun vollwertiges Motorradwandern über mehrere Wochen
oder ein verlängertes Wochenende (beispielsweise auf einem
Festival?
) – ein einfaches, robustes und möglichst
günstiges Zelt sollte mit dabei sein.
Von den Sonderangeboten bei diversen Sportgeschäften,
Supermärkten oder Lebensmitteldiscountern war ich nicht
wirklich überzeugt. Im Freundes- und Bekanntenkreis konnte
ich mir die »günstigen Anschaffungen« immer wieder
anschauen.
Häufig sehr dünnes Nylon, »wasserdicht« konnte man es auch
nicht wirklich nennen und eine alles in allem eher mäßige
Verarbeitung. »Wegwerfzelte« eben. Aber dafür so günstig,
dass man »gleich drei kaufen könnte«. Nun ja, nicht gerade
das was ich mir als eine sinnvolle Anschaffung vorstelle.
Auch wenn ich es realistisch betrachtet nur relativ selten im
Jahr verwenden werde.
2-Mann-Zelt aus Beständen der polnischen Armee
Wie viel muss man für ein einfaches aber stabiles Zelt
ohne Boden mitsamt Gestänge bezahlen? Richtig: 13 Euro.
Nun gut, das Zelt auf dem Bild links kann seine Herkunft
nicht verheimlichen. Wieder einmal bin ich bei den
ausrangierten aber nie eingesetzten Gegenständen aus
Armeebeständen fündig geworden.
Das es auf dem Bild ein wenig »eingefallen« aussieht braucht
nicht zu verwundern: Am Morgen nach einer Übernachtung hatte
ich die Zeltstange schon ein wenig versetzt um meine Sachen
besser herausräumen zu können. Daher »hängt« das Zelt schon
ein wenig durch.
»Für 13 Euro ein Zelt mit Zubehör? Das kann ja nichts sein!«
– dem Gedanken muss man natürlich entgegensetzen, dass man
nicht viel erwarten kann. Bei anderen Zelten kostet alleine
das Gestänge aus Aluminium mehr als das
»Komplettpaket«.
Natürlich hat das einfache Zelt wie so viele andere
»Dackelgaragen« aus Militärbeständen beispielsweise keinen
Boden und es besteht auch nicht aus einem leichten
High-Tech-Laminat sondern »nur« aus zwei behandelten
Baumwollteilen. Diese haben auch eine andere Funktion, später
mehr dazu.
Zusammengelegte Zeltbahnen des Armeezelts
In den beiden Taschen sind Zeltnägel und die Zeltstange
Zwei der vier Alustangen sowie vier Zeltnägel
Zunächst ein paar Zeilen zum Packmaß und dem Gewicht.
Das Zelt für 2 Personen besteht aus zwei Teilen, einer
Aluminiumstange (welche in vier Teile zerlegt ist) und acht
Zeltnägeln.
Auf die Waage bringt alles zusammen etwa 3500 g und somit ist
das Zelt nicht gerade ein Leichtgewicht.
Ordentlich zusammengelegt haben die beiden Baumwollteile mit
dazwischen gelegten Taschen mit den Zeltnägeln (gelegentlich
auch fälschlicherweise als Heringe oder gar Häringe
bezeichnet) und Aluminiumstangen etwa die Maße von 38x25x9
cm. Da man die Bahnen vermutlich jedoch nach der ersten
Verwendung nicht mehr auseinanderknöpft, wird es beim neuen
Verpacken etwas anders aussehen. Zumindest ist dies bei mir
der Fall.
Ich habe die beiden Zeltteile zusammengeknüpft gelassen und
sie passend für meine Gepäckrolle zusammengelegt.
Ergänzend noch eine kleine Information am Rande: Dem Zelt
beigefügt sind sogenannte »Zeltnägel«. Im Unterschied zu den
Heringen, welche nicht mit »ä« geschrieben werden, sind sie
dünner, leichter und generell einfacher konstruiert. Ein
Nagel eben, ein »Stift« anstatt gebogenes Blech oder
Kunststoff beim Hering.
Die beigelegten Zeltnägel
Je zwei Zeltnägel pro Stange: Einfacher zu entnehmen
Der Vorteil der Konstruktion als Pyramidenzelt: Es sind keine
zusätzlichen Zeltschnüre notwendig. Daher kommt das Zelt mit
nur einer zentralen Stange sowie acht Zeltnägeln aus. Da die
Zeltteile auch als Ponchos verwendet werden können, bilden je
zwei Zeltsets ein komplettes Pyramidenzelt. Aus diesem Grund
sind auch Zeltnägel und Gestänge in zwei Taschen aufgeteilt.
Die Variante mit der Verwendung als Poncho findet sich
übrigens bei (fast) jeder anderen Armee wieder.
Die Aluminiumstangen waren mit je zwei Gummibändern
zusammengehalten, anscheinend ein gutes Material. So wie die
Stangen und Zeltnägel ausgesehen haben, lagen sie für etliche
Jahre wohl nur im Regal herum.
Bei den beiden Zeltteilen ist es offensichtlich das sie nie
ausgegeben beziehungsweise verwendet wurden: Kein bischen
Dreck und auf beiden Zeltbahnen waren die Reste von
abgeschnittenen Fäden zu finden.
Herstellungsjahr: 1984
Lagerware, noch nie im Einsatz gewesen
Ich mutmaße das die »1984« auf den Zeltteilen das
Herstellungsjahr angibt. Neben einigen anderen Stempeln passt
dies zu den Angaben von diversen Anbietern im Internet. Die
Zelte seien zwischen den 1970er und 1990er Jahren hergestellt
worden. In einem englischen Forum schrieb ein Käufer darüber,
dass seine Zeltteile 1974 und 1978 produziert worden seien.
Ich nehme an er ging dabei ebenfalls von den aufgedruckten
Zahlen aus.
Das Material ist »imprägnierte Baumwolle«. Ähnliches Material
kommt auch an anderen Orten zum Einsatz, auch bei Tarps oder
anderen günstigen Zeltbahnen. Die Bezeichnung »imprägnierte
Baumwolle« darf nicht als »wasserdicht« verstanden werden.
Besser trifft »wasserabweisend« zu. Bei einem Regen hält das
Zelt vermutlich für bis zu 3 Stunden das Wasser ab, irgendwo
wird es anschließend seinen Weg ins Innere finden.
Ein einfach und kostengünstig anzufertigender Überwurf in
Form einer Kunststoffplane sollte man sich daher noch zu dem
Zelt dazubasteln.
Die Idee das Material »einfach wasserdicht zu machen« wird
wohl nicht ganz so einfach sein. Einfaches Wachsen oder die
Behandlung mit Imprägniersprays haben schon ganz andere
versucht – und sind gescheitert.
Das aus der Gepäckrolle ausgepackte Zelt
Eines der beiden Zeltteile
Die beiden Zeltteile werden wie beim Militär üblich einfach
mittels Knöpfen miteinander verbunden. Da die Zeltbahnen
durch überlappende Stoffbahnen eine Art »Labyrinthverschluss«
aufweisen, sollten die Nahtstellen auch relativ wasserdicht
sein.
Die Zeltteile werden einfach zusammengeknöpft
Durch überlappende Stoffbahnen wird es dicht
Die Knöpfe sind jedoch auch der Schwachpunkt der
Konstruktion. Bei einer der »Ärmelöffnungen« fiel prompt
einer der Knöpfe ab. Obwohl die Zeltbahn noch nie im Einsatz
gewesen ist. Vermutlich also ein Mangel in der
Verarbeitung.
Verarbeitungsmängel: Schlecht angenähte Knöpfe
Abgefallen an einer der »Ärmelöffnungen«
Blick nach oben zur Zeltspitze
Die Knopflöcher sind sehr knapp bemessen
Liegt man im Zelt kann man sich so hinlegen, dass man nicht
gerade mit dem Kopf unter einer der zugeknöpften Armöffnungen
oder der Nahtstelle der beiden Zeltteile liegt. Ein
Schlafsacküberzug, sozusagen ein »Biwacksack light« würde bei
Regen oder feuchtem Untergrund sicherlich auch notwendig
werden.
Die Verarbeitung des Zelts ist sehr einfach und zweckmäßig.
Verstärkte Nähte sind jedoch wirklich nur an den wichtigsten
Stellen zu finden. Ansonsten beherrschen einfache Nähte das
Bild.
Die Knopflöcher sind sehr, sehr eng. Der abgefallene Knopf
sitzt fest im Knopfloch. Beim ersten Aufbau könnte also
unerwarteter Kraftaufwand gerade beim Verknöpfen der
Zeltteile mit dem Labyrinthverschluss notwendig werden.
Zelttasche der Deutschen Bundeswehr
Zweckentfremdet für eine schwedische Zeltbahn
Da das Zelt keinen Boden hat, habe ich einfach auf eine
gebrauchte Zeltbahn der schwedischen Armee zurückgegriffen.
Wieso keine Kunststoffplane aus dem Baumarkt? Mit denen habe
ich eher negative Erfahrungen gemacht: Nicht so robust wie
eine Baumwollzeltplane, beim Versuch einzuschlafen raschelt
es permanent
und man kann sie nicht so bequem
zusammenlegen wie die Zeltplane aus Baumwolle.
Für sehr kleines Geld (59 Cent) habe ich eine gebrauchte
Zeltbahntasche der Deutschen Bundeswehr gekauft. Die Zeltbahn
passt dort sehr gut hinein. Einfach die »dreckige Seite« nach
der Übernachtung trocknen lassen, entsprechend zusammenlegen
und in die Tasche packen.
Ziemlich ramponierte schwedische Zeltbahn
Dreieckige schwedische Zeltbahn als Unterlage
Aber wieso freiwillig ein Zelt ohne Boden kaufen? Nun ja,
viele von den regelmäßig Camping betreibenden Freunden und
Bekannten haben eine klare Meinung zum Boden im Zelt: »Das
ist was für Touristen!«.
Wer kein Vorzelt hat oder zumindest eine angegliederte Kammer
hat regelmäßig das gleiche Theater: Schuhe ausziehen, ins
Zelt krabbeln, wieder rauskrabbeln, Schuhe anziehen. Gepaart
mit Regen müssen die Schuhe dann auch noch irgendwo vor Regen
geschützt untergestellt werden. Aber bloß nicht auf den
Zeltboden, das bekommt man ja so schnell nicht mehr raus und
dann ist es mit der Sauberkeit im Zelt vorbei.
Wie einfach ist es dann doch ohne Boden: Eine Plane nur dort
auslegen, wo man es sauber haben will: Beim Schlafsack. Die
sonstigen Probleme entfallen, einfach mit den mutmaßlich
dreckigen Schuhen oder Stiefeln ins Zelt hinein, sie dort
dann ausziehen wenn man sie wirklich längere Zeit nicht mehr
braucht und fertig.
Weiterhin habe ich nicht vor im Winter mit dem Zelt zu
kampieren.
Wer sowieso die 7-8 kg für ein Feldbett auf dem Motorrad mit
herumfahren will, hat vermutlich an einem Zelt mit Nylonboden
auch keinen Spaß. Feldbetten haben die Eigenschaft mit ihren
Beinen gerne mal solche Zeltböden zu perforieren. Nun ja,
auch wenn ich kein Feldbett mit herumfahren werde, werde ich
kein Zelt mit Boden benötigen. Wie war das noch gleich? »Wer
Wasser in seinem Zelt hat, der hat den Falschen Platz gewählt
und hätte auch Wasser in seinem Zelt mit Zeltboden!« – an der
Aussage von einem alten Pfadfinder muss wohl was dran sein...
Ob nun mit oder ohne Boden soll jedoch abschließend keine
uferlose Diskussion ergeben. Daher noch ein paar Ideen zu
sinnvollem Veränderungen am Zelt, welche meiner Meinung nach
vorgenommen werden könnten/sollten:
- Durchgehendes Vernähen einer der beiden Verbindungen,
welche bisher einfach nur geknöpft werden. Dies würde eine
Schwachsstelle sofort und nachhaltig ausmerzen. Zumindest
benötige ich keine zwei Zelteingänge und wo keine Knöpfe
sind, können keine Knöpfe abfallen.
- Annähen eines stabilen Reißverschlusses oder anderer
Knöpfe (Knebel) anstatt die originalen Knöpfe beim
Zelteingang zu verwenden. Dies würde Zeit beim Öffnen und
Schließen des Zelts sparen.
- Wasserdichte Plane mit Ösen als Überwurf bei Regen
entsprechend der Maße des Zelts zusammennähen. Das Warum
habe ich oben schon erwähnt. Eine »imprägnierte Baumwolle«
ist nicht wasserdicht.
DeeplinkBezugsquelle für das polnische
Armeezelt
Gekauft bei: www.ranger-shop.de
Ich habe das oben abgebildete und beschriebene Zelt
online bei
www.ranger-shop.de bezogen.
Natürlich gibt es auch noch andere Pyramidenzelte
(beispielsweise vom österreichischen Bundesheer), diese sind
jedoch in der Regel deutlich teurer als die polnische
Variante.